Das Drama „To a Land Unknown“ von Regisseur und Co-Autor Mahdi Fleifel, das bei den Filmfestspielen in Cannes 2024 Premiere feierte, beginnt mit einem Zitat des Kulturkritikers und Historikers Edward Said: „In gewisser Weise ist es das Schicksal der Palästinenser, nicht dort zu landen, wo sie herkommen, sondern an einem unerwarteten und weit entfernten Ort.“ Dieses Zitat legt den Grundstein für einen düsteren, manchmal zermürbenden Film, der seine palästinensischen Charaktere in einem heruntergekommenen Viertel von Athen, Griechenland, ansiedelt.
**Gestrandet in Athen**
Im Zentrum der Geschichte stehen die beiden Cousins Chatila (Mahmoud Bakri) und Reda (Aram Sabbah). Sie wollen nicht in Athen sein; ihr Ziel ist Deutschland, wo Familie und eine Gemeinschaft auf sie warten. Doch der Weg dorthin ist kompliziert und kostspielig – und Geld haben sie keines. Um zu überleben und die für gefälschte Pässe nötige Summe aufzutreiben, greift der fähigere der beiden, Chatila, zu allen möglichen Mitteln. Kaum lernen wir ihn und seinen Freund Reda kennen, schnappt sich Chatila die Handtasche einer älteren Touristin. Die Ausbeute: magere fünf Euro.
Schnell wird klar, dass im Kampf ums Überleben mehr Einfallsreichtum gefragt ist. Die Situation verkompliziert sich weiter durch Malik (Mohammed Alsurafa), einen dreizehnjährigen Jungen ohne Zuhause oder Familie. Unter seiner harten Schale ist Chatila ein Weichherz und beginnt bald, auch für den Jungen einen Ausweg zu planen. Doch Reda wird zu einem Anker, der Chatila zurückhält. Er ist drogenabhängig und scheitert immer wieder bei dem Versuch, clean zu werden.
**Der tägliche Kampf**
Chatilas Agenda ist erdrückend: Er muss Reda von den Drogen fernhalten, mit dem örtlichen Passfälscher über Papiere für sich, seinen Cousin und nun auch für Malik verhandeln und das dafür nötige Geld beschaffen. Er schmiedet einen heiklen Plan. „Das ist der letzte Mist, den wir hier abziehen“, sagt er zu Reda – ein Satz, der in unzähligen Filmen gefallen ist, hier aber durch die schonungslose Spezifität des Schauplatzes und der Lebensumstände der Charaktere an erschreckender Glaubwürdigkeit gewinnt. Der Alltag ist ein unerbittlicher Kreislauf aus kleinen Gaunereien und dem ständigen Ringen um Hoffnung. Wie es der Dichter Mahmoud Darwish, der im Film zitiert wird, ausdrückt: „Du hast keine Brüder, mein Bruder, keine Freunde, mein Freund, du hast keine Burgen.“
**Brillante Darstellungen und eine schonungslose Vision**
Mahmoud Bakri ist brillant in der Rolle des Chatila. Mit verhärteten Gesichtszügen versucht er, die Kontrolle über seine ausweglose Situation zu behalten, während sein Herz immer wieder bricht. Aram Sabbah als Reda ist in seiner Verletzlichkeit herzzerreißend, und Mohammed Alsurafa als Malik schafft es, bezaubernd zu sein, ohne dabei in kindlich-niedliche Klischees zu verfallen.
„To a Land Unknown“ ist ein Film von großer Integrität und tief empfundener Traurigkeit. Der ernüchternde Ton, auf dem der Film endet, unterstreicht seine Botschaft und macht ihn zu einem kraftvollen, unvergesslichen Kommentar zur Flüchtlingskrise und dem universellen menschlichen Bedürfnis nach einem Ort, den man Heimat nennen kann. Der Film wurde beim Filmfest München 2024 mit dem höchstdotierten Preis ausgezeichnet und festigt Mahdi Fleifels Ruf als eine wichtige Stimme des zeitgenössischen Kinos.