Lena Dunhams neueste Serie „Too Much“, die seit dem 10. Juli 2024 auf Netflix verfügbar ist, beweist einmal mehr, warum sie als eine der prägendsten Autorinnen ihrer Generation gefeiert wird. Obwohl die Geschichte intimer ist als bei ihrer Erfolgsserie „Girls“, entfaltet sie eine tiefgründige und schmerzhaft ehrliche Untersuchung moderner Beziehungen.

**Zwischen New York und London: Eine Liebe am Rande des Nervenzusammenbruchs**

„Ist Erwachsensein nicht nur eine Reihe von Dingen, die wir nicht tun wollen, aber tun müssen?“, fragt Jessica (gespielt von Megan Stalter), die Protagonistin der Serie, ihren neuen Freund Felix (Will Sharpe) zu Beginn ihrer Beziehung. Seine Antwort – „Nein, ich denke, es geht darum, sicherzustellen, dass man die Dinge tun kann, die man wirklich tun will“ – umreißt den zentralen Konflikt, der das Leben der beiden Hauptfiguren bestimmt.

Die Serie wirft uns direkt auf die Straßen Londons, untermalt von Fergies Hit „London Bridge“. Jessica, eine New Yorker Workaholic, ist nach einer katastrophalen Trennung in die britische Hauptstadt geflohen. Doch die Vergangenheit lässt sie nicht los: Sie wird online mit dem Verlobungsvideo ihres Ex-Freundes und dessen neuer Influencer-Freundin (Emily Ratajkowski) konfrontiert. Nach einem Zusammenbruch wagt sie sich allein in einen Pub und trifft dort auf Felix, einen Musiker mit eigenem emotionalem Gepäck. Ein ungeschickter Kuss führt dazu, dass sie ihn aus ihrer Wohnung wirft, nur um kurz darauf versehentlich ihr Nachthemd in Brand zu setzen. Felix ist der Einzige, den sie in London kennt, und so holt er sie aus dem Krankenhaus ab. Was folgt, ist eine stürmische Romanze, geprägt von einer unwiderstehlichen Chemie, aber auch von tiefen Beziehungsängsten.

**Meisterhaftes Spiel zwischen Komödie und Tragödie**

„Too Much“ balanciert perfekt auf dem schmalen Grat zwischen Drama und Komödie. Die Serie beleuchtet die schmerzhaftesten Momente aus der Vergangenheit von Jessica und Felix, ohne das Publikum jemals in Hoffnungslosigkeit zu entlassen. Jeder Streit, grandios gespielt von Stalter und Sharpe, ist von einem scharfen Humor durchzogen, der selbst die tiefsten Abgründe ihrer Kämpfe aufbricht. Wir beobachten, wie beide Charaktere ihre Beziehung, ihre Karrieren und ihre Freundschaften immer wieder selbst sabotieren und durchs Leben stolpern, als wäre jeder Tag ihr erster.

Dunham seziert mit chirurgischer Präzision die Unsicherheiten von Millennials und Gen Z. Sie scheut sich nicht, die gemeinen und chaotischen Seiten ihrer Charaktere zu zeigen, was ihre Arbeit so erfrischend und authentisch macht. Weder Jessica noch Felix sind perfekt. Sie sind zutiefst traumatisierte Menschen, für die Kommunikation einer apokalyptischen Katastrophe gleichkommt. Während Jessica ihr Leben zwanghaft für die Kamera ihres Handys festhält, frisst Felix alles in sich hinein, bis er zu zerbrechen droht. Trotz ihrer Unfähigkeit zu kommunizieren, teilen sie eine zärtliche Liebe, die in ihrer Verletzlichkeit manchmal fast schmerzhaft anzusehen ist.

**Ein herausragendes Ensemble**

Megan Stalter und Will Sharpe sind eine Traumbesetzung. Die zerbrechliche Natur der Beziehung ihrer Charaktere könnte in keinen besseren Händen liegen. Doch auch das Nebencast glänzt mit beeindruckenden Auftritten. Naomi Watts spielt die kokainabhängige Ehefrau von Jessicas Chef (Richard E. Grant), Adèle Exarchopoulos überzeugt als Felix‘ emotionslose französische Ex-Freundin Polly und Andrew Scott hat einen denkwürdigen Auftritt als nihilistischer Filmregisseur. Obwohl ihre Rollen oft kurz sind, erhält jeder dieser Darsteller den Raum, sein komödiantisches Talent zu entfalten, was der Serie über die zentrale Handlung hinaus eine fesselnde und oft urkomische Ebene verleiht.

**Wer hat Liebe verdient?**

„Too Much“ stellt die Konventionen des Rom-Com-Genres in Frage. Jessica ist keine typische Heldin; sie ist laut, schroff und oft „zu viel“ für die Welt um sie herum. Doch Felix sieht sie für das, was sie ist, und liebt genau die Teile an ihr, die in New York auf Ablehnung stießen. Dunham hinterfragt, wer in unserer Gesellschaft als liebenswert gilt. In einer Welt, die uns oft unterdrücken und unsere Einzigartigkeit ersticken will, rebellieren Jessica und Felix, indem sie eine komplizierte, chaotische und doch aufrichtige Liebe zueinander finden. Am Ende der Serie stellt sich unweigerlich die Frage: Werden wir selbst jemals das Glück haben, eine solch bedingungslose Verbindung zu finden?