Das „Locked-Room“-Mysterium ist ein Urgestein des Thriller-Genres. Es besitzt einen besonderen Reiz, eine kleine Gruppe von Charakteren in einen abgeschlossenen Raum zu sperren und dabei zuzusehen, wie sie zusammenarbeiten oder sich gegenseitig zerfleischen, um zu entkommen. Dieses Prinzip ist das Rückgrat von Filmen wie der „Escape Room“-Reihe oder dem „Saw“-Franchise. Der deutsche Netflix-Film „Blackout“ von Regisseur Philip Koch möchte eindeutig auf dieser Welle mitschwimmen, mit einem einfachen Rätsel und einer bunt zusammengewürfelten Truppe, die es lösen soll. Umso frustrierender ist es zu sehen, wie viel Potenzial, ein solides Produktionsdesign und zwei engagierte Hauptdarsteller einem Mysterium zum Opfer fallen, das sich mit niederschmetternder Offensichtlichkeit entfaltet.
Im Mittelpunkt des Films stehen das kriselnde Paar Tim (Matthias Schweighöfer) und Liv (Ruby O. Fee). Ihre Beziehung ist nach dem Verlust ihrer Schwangerschaft vor einiger Zeit zerbrochen. Tim hat sich in seine Arbeit als Spieleentwickler zurückgezogen, was Liv an den Punkt getrieben hat, ihn zu verlassen. Doch als sie die Wohnungstür öffnet, um zu gehen, findet sie anstelle des Hausflurs eine undurchdringliche, mattschwarze Wand vor. Diese scheint unzerstörbar und sogar leicht magnetisch zu sein. Schnell stellt sich heraus, dass das gesamte Gebäude von dieser mysteriösen Substanz umhüllt ist. Ohne fließendes Wasser und ohne Mobilfunkempfang droht den Eingeschlossenen der Tod in nur wenigen Tagen. Mit Werkzeugen bewaffnet, brechen sie in die Nachbarwohnungen durch und müssen sich mit Nachbarn zusammentun, die sie kaum oder gar nicht kennen, um einen Ausweg zu finden, bevor die Zeit für alle abläuft.
Die Prämisse ist reizvoll, und der Film findet seinen Rhythmus, wenn Tim, Liv und ihre wackelige Allianz von Nachbarn beginnen, die Grenzen der mysteriösen Wände auszutesten und einen Fluchtweg zu suchen. Regisseur Philip Koch belebt diese Sequenzen mit beweglichen und kippenden Kameras, die langsam durch die Löcher gleiten, die sie in jede Etage bohren. Das Produktionsdesign verrät dabei oft mehr über die Lebensumstände und den Charakter der Bewohner als das Drehbuch selbst. Ähnlich wie in Genre-Klassikern wie „Cube“ liegt die Lösung des Rätsels in Karten und Mathematik, und die zusätzliche Ebene, dass einige Charaktere mehr wissen, als sie zugeben, birgt Potenzial für Intrigen.
Leider sind die Charaktere in „Blackout“ nicht vielschichtig oder interessant genug, um die Momente zu tragen, in denen der Druck von Leben und Tod die wahre Natur aller zum Vorschein bringen soll. Der emotionale Kern des Films, die Versöhnung von Tim und Liv angesichts der tödlichen Gefahr, spielt sich mit einer solchen Vorhersehbarkeit und in langwierigen, schwerfälligen Dialogen ab, dass es schwerfällt, mitzufiebern. Gleiches gilt für die anderen Gruppenmitglieder: den durchgeknallten Junkie Marvin (Frederick Lau), seine besonnenere Freundin Ana (Salber Lee Williams), das klassische Opa-Enkelin-Gespann (Axel Werner und Sira-Anna Faal) und den wildäugigen Verschwörungstheoretiker und Polizisten Yuri (Murathan Muslu). Bei Yuri lässt das Drehbuch von Anfang an kaum einen Zweifel daran, wer im letzten Akt zur wahren Bedrohung werden wird. Seine plump eingestreuten Phrasen über den „tiefen Staat“ und „UFOs“ wirken wie der ungeschickte Versuch, die Paranoia unserer Zeit einzufangen.
„Blackout“ spielt die erwarteten Takte eines solchen Thrillers ab, von zwischenmenschlichen Konflikten, die zu Blutvergießen führen, bis hin zur langsamen Enthüllung von Hinweisen, die am Ende wieder zum Anfang führen. In dieser Hinsicht liefert Koch routiniert ab. Dennoch ist die Enttäuschung über die stereotypen Charaktere, die flache Netflix-Präsentation und das hölzerne Drehbuch groß. Trotz der Prämisse, die nach B-Movie-Nervenkitzel schreit, fühlt sich die Gewalt erstaunlich blutleer an und zielt eher auf fernsehtaugliche Spannung als auf die Härte, die ein solches Szenario erfordert. Gelegentlich schneidet der Regisseur auf eine umherschwirrende Fliege – subtiler wird es hier nicht. Und wie diese Fliege schwirrt „Blackout“ zwar kurz durch die Sinne und heischt um Aufmerksamkeit, hat aber eine ebenso kurze Halbwertszeit.